"WählBar" gewinnt Best-Practice-Preis 2013

30.05.2013 | Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Katholischen Erwachsenenbildung Bayern wurde die landespolitische Kolpingaktion zur Landtagswahl 2013 mit dem Best-Practice-Preis der KEB-Bayern ausgezeichnet.

Prof. Dr. Vogt würdigte im Rahmen des Festabends bei der Mitgliederversammlung das Projekt als gelungenen, ausbaufähigen und übertragbaren Beitrag zur gesellschaftspolitischen Partizipation in unserer Demokratie.

Der zweite, gleichberechtigte Preisträger ist das Kolping Bildungswerk Bayern e.V. mit dem Projekt „WählBar“. Es handelt sich um eine Initiative, die noch nicht abgeschlossen ist, sondern sich als „lernend und sich in der praktischen Umsetzung ergänzend“ noch mitten in der Umsetzungsphase befindet.
 

Das Projekt beeindruckt durch die Breite: Es handelt sich um eine landesweite Aktion mit 570 Kolpingfamilien, die parteiübergreifend zum politischen Dialog aufruft. Es ist ein Weckruf gegen politische Abstinenz und Orientierungslosigkeit und wendet sich besonders an Jugendliche. Sie hat aber auch ganz unterschiedliche Zielgruppen im Blick – von jung bis alt, kirchlich und nichtkirchlich, engagiert oder politisch distanziert.

Mit praktischen Angeboten wendet sich der Bayerische Landesverband an seine 66.000 Mitglieder, um diese zu je eigenen Initiativen zu aktivieren.

 

Der Projekttitel „WählBAR“ ist doppelsinnig, Ort und Fragestellung zugleich: (1) Ganz konkrete sollen kleine Bar-Tische als Orte für die Diskussion aufgestellt werden, wofür Modelle und entsprechendes Dekor sowie Aktionselemente wie einen Kolpingcocktail und andere Bar-Getränke angeboten werden. (2) „Wählbar“ meint aber auch die Frage, welche Personen und Parteien wählbar sind. Dafür hat das Kolpingwerk Bayern anhand der Handlungsfelder Jugend, Familie, Arbeitswelt sowie „Bayern“ einige christliche Werte und Postulate als „Wahlprüfsteine“ oder Diskussionsanregung formuliert.

 

Den vielseitig deutbaren Wahlprüfstein Bayern stellen die Projektträger beispielsweise unter das Kolpingprinzip „Traditionsbewusstsein und Fortschrittswille“ und konkretisieren dies für Themen wie „Verantwortliche Energiepolitik“, „Förderung von ökologischem Landbau“, „interkulturelle Verständigung“ oder „Einführung einer Ehrenamtskarte“.

In der Preis-Begründung hebt die Jury folgende Aspekte hervor:

 

  • Die Aktion ist ein höchst origineller und aktueller Beitrag zur kirchlichen Begleitung des Superwahljahres 2013.

  • Das Angebot ist niedrigschwellig und geht durch die Methode aufsuchender Bildungsarbeit auf sonst schwer erreichbare Zielgruppen zu. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der repräsentativen Demokratie (sowohl im Erreichen und aktiven Einbeziehen von Bürgern wie von Politikern, die zu Dialogen und Begegnungen eingeladen werden).

  • Hohe Wahrnehmbarkeit durch die aufgestellte Bar, die auch in der Fußgängerzone von Städten aufgestellt werden kann, aber genauso auch in Pfarrzentren oder bei Vereinsheimen und bei Festen.

  • Kreative Form der Verwirklichung von Partizipation durch den gemeinsamen Diskurs untereinander und mit Politikerinnen und Politikern

  • Heterogene Altersstrukturen der TN, gezielte Einbeziehung von Jugendlichen

  • Hohes Innovationspotential: Verbindung von Geselligkeit und Bildung im Diskurs

  • Die Methode ist bestechend einfach, praktisch handhabbar und gut vorbereitet

  • Hohe Professionalität im Erscheinungsbild, beispielsweise auch auf der Webseite, alles abrufbar zum Downloaden, sehr praktisch vorbereitet und zielgruppengerecht aufbereitet.

 

Aus sozialethischer Sicht ist es von erheblicher Bedeutung, dass Jugendliche und Familien in den kontroversen Debatten der Gegenwart eine stärkere Lobby erhalten und dass die unterschiedlichen Reformen an ein zugleich klares als auch differenziertes Wertefundament rückgebunden werden. Es ist ein Armutszeugnis für Deutschland, dass Familien so stark unter Druck sind, wenn sie Familienleben und Beruf, Erziehung und Generationenzusammenhalt vereinbaren wollen und dass sie trotz aller Förderung immer noch erhebliche finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müssen, weil man sie eher wie einen Sozialfall und nicht in angemessener Weise als Leistungsträger der Gesellschaft behandelt. Die Familien sind das „Lasttier vieler Modernisierungsprozesse“ (Kardinal Sterzinsky). Sie brauchen eine neue Qualität intelligenter Unterstützung. Alois Glück sieht darin ein notwenigen Schwerpunktthema der katholischen Verbändearbeit für die nächsten Jahre. Kolping ist bei diesem Thema sehr aktiv mit dabei.

Es ist dringend geboten, die Bedingungen für das Ehrenamt auch in der Jugendarbeit zu stärken. Der Kolping-Vorschlag, das Wahlalter für Jugendliche bei Landtags- und Kommunalwahlen auf 16 Jahre zu senken, könnte durchaus ein Hebel sein, um die Beteiligung und das politische Gewicht der Jugendlichen zu

stärken. Das müsste dann aber auch durch offene Wissensvermittlung an den Schulen unterstützt werden. Ohne solche Maßnahmen wird der demografische Wandel, der die Zahl der Alten im Verhältnis zu den Jungen immer weiter erhöht, zwangsläufig zu Folge haben, dass auch das politische Gewicht der Jugendlichen und damit auch das der Familien trotz aller wohlmeinenden Worte in rhetorischen Hochglanzreden immer weiter sinkt.

 

Über manche Postulate von Kolping kann man m. E. unterschiedlicher Meinung sein. Dies halte ich aber nicht für problematisch, da Politik von Kontroversen lebt (wie heute Nachmittag Michael Reder mit Bezug auf die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe dargelegt hat). Entscheidend ist, dass diskutiert wird, und zwar auch mit konkreten Vorschlägen. Sozialethik muss prinzipiell und konkret sein. Ich könnte mir vorstellen, dass die Postulate von Kolping auch bei meinen Theologiestudierenden in der Sozialethik an der Uni interessante Diskussionen auslösen würden. Jedenfalls würden sie zu mehr aktiver Partizipation führen, als wenn die Sozialethik nur im Abstrakten und Allgemeinen bleibt.

Das Projekt ist ausbaubar: Der Höhepunkt ist noch zu erwarten, wenn der Wahlkampf erst richtig in Gang kommt. Er ist fortsetzbar auch für die Bundestagswahl sowie für die Kommunal- und Europawahlen 2014.

Ich gratuliere allen Mitliedern der großen Kolpingfamilie von ganzem Herzen zum Best-Practice-Preis 2013 der Sozialethischen Offensive der Katholischen Erwachsenenbildung Bayern.

Ines Keßler