Kolping-Forum mit Petrer Clever stieß auf große Resonanz

19.04.2012 | Die Prognose der Erwerbstätigenzahlen spricht für sich. 2030 wird es in Deutschland acht Millionen Menschen weniger im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 67 Jahren geben, darauf verweist Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung deutscher Arbeitge-ber (BDA). Er rief dazu auf, möglichst viele Arbeitnehmer aus der eigenen Bevölkerung für den Arbeitsmarkt zu rekrutieren und entsprechend zu qualifizieren...

Nürnberg - Die Prognose der Erwerbstätigenzahlen spricht für sich. 2030 wird es in Deutschland acht Millionen Menschen weniger im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 67 Jahren geben, darauf verweist Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung deutscher Arbeitge-ber (BDA). Er rief dazu auf, möglichst viele Arbeitnehmer aus der eigenen Bevölkerung für den Arbeitsmarkt zu rekrutieren und entsprechend zu qualifizieren. Zuwanderer anzuwerben hält er nur mittel- oder langfristig für ein geeignetes Mittel. Auch sei die Bundesrepublik bislang kein bevorzugtes Einwanderungsland und müsse als solches erst attraktiv gemacht werden. Der Referent betonte die Bedeutung des Industriestandorts Deutschland, den man auch künftig als starke Basis erhalten müsse.

 

Was nützt es, wenn die Auftragsbücher der Unternehmen gefüllt sind, aber das nötige Fachpersonal für die Ausführung fehlt? Längst warnen Sozialwissenschaftler vor drohendem Facharbeitermangel. Schon heute werden vielerorts händeringend Fachkräfte gesucht, und der demografische Wandel wird das Problem weiter verschärfen. Welche Rolle spielen die jungen Leute bei dieser gesamtwirtschaftlichen Herausforderung? – „Kompetente Jugendliche – die Fachkräfte von morgen“ titelte eine Veranstaltung des Kolping-Forums in Nürnberg, auf der über Bildungsmaßnahmen für Jugendliche und insbesondere die Förderung benachteiligter junger Menschen diskutiert wurde. Junge Menschen seien das Zukunftspotential. Heute gelte es, ihnen berufliche Perspektiven zu eröffnen und so auch etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun, so der Vorstand des Kolping-Bildungswerkes Wolfram Kohler in seiner Eröffnungsansprache. 

Immer wieder klagen Meister über Defizite bei Azubis. Neben unzureichender Bildung werden häufig fehlende Motivation und geringes Durchhaltevermögen moniert. Kognitives könne man nacharbeiten, sagt Clever, doch

bei Defiziten im Bereich der Persönlichkeit sieht er Handlungsbedarf und wirbt für eine gemein-same Anstrengung aller, um junge Leute individuell zu fördern. Es spielten nicht nur Schulnoten eine Rolle bei der betrieblichen Ausbildung, betont er und kritisiert, sozial Benachteiligte würden zu schnell als Dumme abgestempelt. Dabei sei es nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch falsch, Jugendliche abzuschreiben, so der Referent. Wenn 15 Prozent der Jugendlichen heute keinen Schulabschluss haben, dann sei das „kein gottgegebenes Schicksal“. Clever appellierte, die Haltung gegenüber jungen Leuten zu verändern: Mehr loben und motivieren statt nur kritisieren, Aufbau von Selbstbewusstsein ermöglichen. „Es darf kein Jugendlicher verloren gehen.“

CSU-Sozialpolitiker Hermann Imhof stößt ins selbe Horn und verlangt eine konzertierte Aktion, damit Jugendliche ihre Potentiale voll entfalten können. Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft sei gefragt. Angefangen bei der Unterstützung überforderter Familien bis hin zur konkreten Jugendhilfe müsse alles getan werden, um die Bildungsfähigkeit der jungen Leute zu stabilisieren. Der Landtagsabgeordnete plädiert für staatliche Ausgaben für Präventivarbeit anstatt späterer Aufwendungen für die Rehabilitation gescheiterter Jugendlicher. Alle Bemühungen um die Förderung junger Menschen gelte es zu vernetzen, um effizient zu sein – da waren sich alle einig. Imhof lobt in diesem Bereich die Frankenmetropole als Modellstadt und auch Clever bescheinigt Nürnberg eine Vorreiterrolle.


Der CSU-Politiker verweist auf das Handlungsfeld Schule, wo auf realistische Berufsperspektiven hingearbeitet werden sollte. Den Einsatz von Jugendsozialarbeitern bewertet er positiv. Wenn Jugendliche nicht lernen wollen, müsse man sich um sie kümmern und den Grund für das Desinteresse herausfinden. Schwierige und Schwache brauchten einen ganzheitlichen Förderansatz. Man dürfe sich auch nicht damit abfinden, dass benachteiligte junge Leute schon in der Schule resignierten. Imhof ruft die Unternehmer auf, diesen Jugendlichen die Chance guter Erfahrungen zu geben: „Ich plädiere für eine Kultur der zweiten Chance!“ Es sei im Sinne des Staates, junge Leute mit schlechten Voraus-setzungen durch zusätzliche Schulungen zu qualifizieren, denn: „Jeder wird gebraucht!“

Jungen Menschen grundsätzlich mit Vertrauen zu begegnen, empfiehlt auch Dirk von Vopelius und stellt fest, dass bei Jugendlichen nicht nur das Zeugnis ausschlaggebend sein dürfe; Besonderheiten wie ausländische Wurzeln oder persönliche Handicaps gelte es zu berücksichtigen. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Mittelfranken hält viel von frühen Kontakten zwischen Schulen und Unternehmen, Partnerschaften und zielgerichteter Beratung. Er warnt davor auszusortieren, und rät anstatt dessen, junge Menschen mit unbefriedigenden Vorgaben verdeckte Begabungen entdecken zu lassen und ihnen auch Verantwortung zu übertragen. Denn das forme die Persönlichkeit.


In seinem Projekt WERTVOLL arbeitet der Nürnberger Songpoet Jo Jasper mit jungen Menschen, die am Rande stehen, will ihnen auf seine Weise Mut machen, Anerkennung verschaffen und sie auf einen neuen Weg führen. Eine Gruppe junger Bamberger aus diesem Projekt erzählte von Frust über viele un-beantwortete Bewerbungsschreiben und vermittelte den Teilnehmern des Kol-ping-Forums hautnah ihre Situation. Der mit Jasper erarbeitete Song „Rückzieher“, den sie vortrugen, war mehr als eine musikalische Einlage.

Ulrike Pilz-Dertwinkel