Wie sieht die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft aus?

13.04.2010 | Nürnberg - Zukunftsforscher Andreas Haderlein skizzierte im Rahmen des Kolping-Forum in Nürnberg die Zukunft unserer Gesellschaft anhand von Megatrends.
Zukunftsforscher Andreas Haderlein

„Wie sieht die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft aus? Was sind hierbei relevante Wirkfaktoren? Was folgern wir daraus, besonders auch für unser heutiges Handeln, in Politik, Wirtschaft, Kirche, Bildung und Wissenschaft, aber auch ganz privat?“ Mit diesen Fragen eröffnete der Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerkes, Wolfram Kohler, das Kolping-Forum, an dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Kirche, Bildung und Wissenschaft, Kunst und Kultur teilnahmen.

 Andreas Haderlein, Zukunftsforscher am Zukunftsinstitut in Kelkheim/Taunus, zeichnete dann in seinem Vortrag ein Bild unserer Zukunftsgesellschaft. Dazu verdeutlichte er so genannte Megatrends. Sie entscheiden darüber wie künftig Arbeit definiert wird, welches Altersbild in unserer Gesellschaft vorherrscht, wie Unternehmen organisiert werden, wie konsumiert und – nicht zuletzt – wie in Zukunft gelernt wird.

 „Es geht in der Zukunftsforschung nicht darum, das Künftige vorherzusagen, es geht vielmehr darum, die Gesellschaft auf die Zukunft vorzubereiten“, führte Haderlein am Beginn seines Vortrages aus. Und das scheint bitter nötig, stehen wir doch offenbar erst am Anfang einer Reihe von Veränderungen, die unser künftiges Zusammenleben maßgeblich beeinflussen werden. Dabei hat die Zukunft schon längst begonnen.

 

Beispiel Arbeitswelt: Bisher war das Leben klar und übersichtlich geordnet. Da war die Kindheit und die schulische Ausbildung. Danach kam das Arbeitsleben bis zum Alter von circa 60 Jahren, im Glücksfall ohne Unterbrechung und stets beim selben Arbeitgeber. Dann folgte der Ruhestand mit der Phase des Ausruhens und des Nichtstuns – nach all der körperlich anstrengenden Maloche hatte man sich das ja auch verdient.

 

 Starre Ordnung aufgelöst

 

 Doch dies ist vorbei. Mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, dem anhaltenden demografischen Wandel und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mit den Hartz-Gesetzen löst sich die starre Ordnung auf „einzig verbliebene Norm ist, dass es keine Norm mehr gibt“, formulierte es Haderlein.

 

 Wenn er 20 Jahre voraus in die Zukunft blickt, sieht er einen ganz anderen Lebenszyklus. Nach der Kindheit kommt eine durch intensivere Ausbildung verlängerte Jugendphase, in der sich die jungen Leute nicht binden wollen, weder privat noch beruflich, auch wenn sie dadurch weniger Einkommen haben und im Falle der Frauen noch später Kinder bekommen werden.

 

 Dem schließt sich die „rush hour“ des Lebens an, die Karriere also, parallel dazu die Gründung einer Familie. Ab 60 folgt der zweite Aufbruch, die Menschen suchen einen anderen Job, weil sie neue Erfahrungen machen wollen, oder sie beginnen erst richtig, touristisch die Welt zu erkunden. Später setzt die „Selfness“-Karriere ein, man tut sich selbst (=Self) Gutes (=Wellness), treibt Sport, bis dann im noch vorgerückteren Alter der dritte Aufbruch einsetzt, mit dem fitte Omas und Opas aktiv in die Kindererziehung der Enkel und Urenkel eingreifen.

 

Nichts wird es mit Schaukelstuhl und Sonnenterrasse ab 65 – glaubt man dem Zukunftsforscher Haderlein. Zählen die aktiven Alten, die „Seniorpreneurs“, die im Verein, in der Partei, in der Fortbildung oder im sozialen Bereich mit Volldampf weiterarbeiten, in Deutschland heute rund 4,2 Millionen Köpfe, so wird sich deren Zahl in den nächsten zehn Jahren auf 6,3 Millionen erhöhen, schätzt Haderlein.

 

 Zeitgleich ändert sich die Arbeitswelt. Im Jahr 2020 werden zwei von drei Beschäftigten nur noch mit dem Kopf und nicht mehr körperlich arbeiten. Und das zu völlig flexiblen Zeiten, entlohnt und mit völlig flexiblen Entgeltformen. Und das auch nicht mehr an einem festen Arbeitsplatz, „den gibt es nicht mehr. Stattdessen wird es neue Formen der kreativen Zusammenarbeit geben – wo auch immer“, meint der Anthropologe.

 

 Von Job zu Job hangeln

 

 Die klassische Einteilung in Arbeiter/Angestellte, Beamte und Dienstleister wird zunehmend aufgelöst und verdrängt durch „Portfolio worker“, also Menschen, die sich als Arbeitnehmer, Selbstständige oder Freie von Job zu Job hangeln oder die als Ein-Mann-Selbstständige und sonstige Existenzgründer unterwegs sind – alles Erwerbstätige, die Haderlein in die Gruppe der stark zunehmenden Gruppe der „kreativen Klasse“ einreiht. Kehrseite der Medaille: Je individueller die Arbeitswelt wird, desto weniger lassen sich die Menschen organisieren und desto stärker wird die gewerkschaftliche Arbeit beeinträchtigt werden.

 

 Megatrends nennt man solche Jahre andauernden Veränderungen. Doch die neue Arbeitswelt ist nur einer von insgesamt zwölf Megatrends, die das Zukunftsinstitut definiert hat. Die Veränderungen in den Geschlechterrollen, in der Bildung, in der digitalen Technik oder im Gesundheitsbereich sind weitere solcher Trends, die dafür sorgen werden, dass es uns auch künftig nicht langweilig werden wird.

Wolfram Kohler