Alternativlos?!? - Die Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit im Spiegel des Vergaberechts

18.02.2013 | Bayern - Im Januar veranstaltete das Kolping-Bildungswerk Bayern e.V. gemeinsam mit der LAG Katholische Jugendsozialarbeit ein Seminar, das sich mit der gängigen Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit befasste. Die anwesenden Praktiker diskutierten ihre Erfahrungen mit Fachleuten aus veschiedenen Bereichen.

Ein Kommentar zu diesem Thema von Michael Kroll, Vorstand im Kolping-Bildungswerk Bayern e.V.

 

Sind die Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit, unter denen so viele Träger von Maßnahmen der Jugendberufshilfe stöhnen, wirklich so alternativlos, wie immer behauptet wird? Vielleicht sind die Erkenntnisse eines Fachgesprächs, das das Kolping-Bildungswerk und die LAG KJS Bayern Ende Januar unter vergaberechtlichem Blickwinkel durchführen konnten, nicht wirklich neu. Aber sie sind doch eindeutig bemerkenswert.

Die Vergabepraxis der BA sei "ein mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbundenes System der Scheinrationalität." So drückte es zusammenfassend - und aus meiner Sicht sehr treffend auf den Punkt gebracht - Prof. Dr. Stephan Rixen von der Universität Bayreuth aus.

 

Eine Kollegin aus einem Kolping-Bildungswerk fasste ihre Erkenntnisse so zusammen: "Die gute Nachricht ist: Die Beschaffung über die Ausschreibung ist vom Europäischen Vergaberecht entgegen aller Mythen von der „Alternativlosigkeit“ nicht zwingend vorgeschrieben. Die schlechte Nachricht ist: Es gilt die „Kann - Regelung“ – die BA kann alles ausschreiben, eine Beschaffung ausschließlich über die Ausschreibung ist rechtlich möglich. Das heißt, es gibt keine rechtliche Handhabe dagegen. Die Rechtsgrundlagen sind so, dass von Seite der BA fast alles möglich ist – auch Einspruchsverfahren innerhalb des Systems scheitern in der Regel an der dehnbaren Interpretierbarkeit, das führt zu einer Immunisierung gegen fachliche Kritik."

 

Ich meine, wir sollten uns trotz aller Ernüchterung von solchen Aussagen nicht entmutigen lassen. Drei Aspekte, die in die Zukunft weisen, habe ich unter anderem aus diesem Gespräch mitgenommen:

 

Der Gesetzgeber, die Politikerinnen und Politiker müssen erfahren, dass die auch von ihnen immer wieder verbreitete Mär, die BA müsse aus europarechtlichen Gründen unbedingt so vergeben, wie sie es tut, so nicht richtig ist. Sondern dass die BA Alternativen hätte, die sie nur nicht nutzen mag. Und dass das Bundesparlament sehr wohl in § 45 SGB III selber die Anwendung des Vergaberechts anders regeln könnte. Der Titel des diesjährigen Josefstags der Katholischen Jugendsozialarbeit "Keine Wahl!" bekommt vor diesem Hintergrund einen ganz speziellen Charme. Ich wünsche mir, dass viele Träger diesen Tag im beschriebenen Sinne nutzen werden.

 

Da der große Wurf hier wohl noch etwas auf sich warten lassen wird, muss auch auf die Verwaltung in der Bundesagentur für Arbeit mit ihren verantwortlichen Gremien und dem zuständigen Ministerium eingewirkt werden. Die Weiterentwicklung und detaillierte Beschreibung von Qualitätsstandards unterschiedlichster Art, deren Bewertung in den Angeboten, Umsetzung in den Maßnahmen und die Evaluierung ihrer Effekte kann ein Hebel sein. Damit das leidige Ping Pong-Spiel, was mehr zählt, die Qualität oder der Preis, endlich zu Gunsten der richtigen Seite der Waagschale entschieden wird.

 

Und nicht zuletzt müssen wir, die Träger, unsere Handlungsspielräume vor Ort kennen und nutzen, indem wir die Agenturen und Jobcenter auf ihre Gestaltungsspielräume so nachdrücklich wie möglich hinweisen. Der Vertreter des Bundesarbeitsministeriums verwies sehr eindringlich auf die Chancen, die die Freie Förderung im SGB II bietet. Er riet, die kommunale Familie einzubeziehen und insbesondere in den Optionskommunen auf deren Möglichkeiten hinzuweisen. Auch sollte man jede Gelegenheit nutzen, bereits deutlich vor Beginn des Verfahrens bei und gemeinsam mit den Partnern in den Arbeitsagenturen auf eine sinnvolle Ausgestaltung der regionalen Lose hinzuwirken.

 

Das alles kann und wird sich lohnen. Aber es geht nicht ohne Mühe. Und nicht ohne langen Atem.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Axel Möller