Zwischen Bratwurstkiosk und Kaffeekränzchen - Theatergruppe „Tschungulung“ erhält ersten Bayerischen Integrationspreis

29.02.2012 | Würzburg - Aus einer Vielzahl von Ideen und Erfahrungen entwickelt sich nach und nach ein spannendes, witziges Theaterstück aus einem Guss. „Spezialitäten“ etwa heißt die jüngste Produktion der internationalen Theatergruppe „Tschungulung“. Ausschnitte aus diesem Stück, in dem es unter anderem um das geht, was „typisch deutsch“ ist, werden am 8. März im Bayerischen Landtag präsentiert. Denn dort erhält das bayernweit einmalige Ensemble aus Würzburg den heuer erstmals verliehenen „Bayerischen Integrationspreis“.
Um die Spezialitäten von Männern und Frauen in und außerhalb der Küche geht es in der jüngsten Produktion der Theatergruppe „Tschungulung“, die am 8. März den ersten Bayerischen Integrationspreis erhält.

Allen sieben Theaterstücken, die seit der Gründung des Ensembles im Jahr 2003 unter der Regie von Theaterleiterin Dr. Sigrid Mahsberg entstanden sind, liegen die Erfahrungen der ausländischen Schauspieler zugrunde. Die Stücke erzählen von dem, was sie erlebt haben in dem fremden Deutschland, in das sie aus den verschiedensten Gründen kamen. Im ersten Stück „Fremdenverkehr“ zum Beispiel ging es um konkrete Erlebnisse in der Würzburger Straßenbahn - und um das, was Menschen mit Migrationshintergrund im übertragenen Sinne auf ihrem besonderen Lebensweg erfuhren. In allen Stücken werden auch die Hürden der deutschen Sprache thematisiert. Und interkulturelle Klischees.


In ihren mit Filmsequenzen aufgepeppten Collagen reißen die aktuell 20 Akteure aus fast ebenso vielen Nationen soziale Probleme an, ohne je in Lamento zu verfallen. Im Gegenteil. Mit viel Selbstironie werden interkulturelle Stereotype der Lächerlichkeit preisgegeben. Jongliert wird mit diesen Klischees in den

wöchentlichen Proben in Räumen der Würzburger Kolping-Akademie. Hier steht auch die Wiege von „Tschungulung“. „Die Gruppe ging aus den Deutschsprachkursen an der Akademie hervor“, erläutert Erlebnistheaterpädagogin Sigrid Mahsberg. Man wollte es irgendwann nicht länger bei Rollenspielen im Unterricht belassen. Sondern richtiges Theater machen.


Kolping Mainfranken half, die Karriere von „Tschungulung“ anzuschieben. Bis heute werden dem Ensemble kostenfrei Proberäume zur Verfügung gestellt. Obwohl inzwischen viele Schauspieler nicht mehr direkt aus den Deutschkursen der Akademie in die Gruppe einmünden. „Die einzelnen Akteure bringen Freunde und Bekannte von außerhalb mit“, berichtet Mahsberg. Das belebt die Crew. Und führt dazu, dass nicht nur jedes Stück, sondern jede einzelne Aufführung ganz anders ist: „Die Rollen sind ja auf jeden einzelnen Schauspieler genau zugeschnitten. Scheidet ein Akteur aus, was recht oft geschieht, dann ändert sich damit auch dessen Rolle im Stück.“


„Tschungulung“ beweist seit neun Jahren, dass es möglich ist, über alle interkulturellen Unterschiede und Fremdheiten hinweg starke mitmenschliche Bande zu knüpfen. Mahsberg: „Bei uns agierten sogar schon Juden und Araber aus Israel gemeinsam in einer Produktion.“ Dass bei „Tschungulung“ Integration konkret gelebt wird, ist denn auch der Grund dafür, dass das Ensemble am 8. März im Bayerischen Landtag den ersten Integrationspreis des Freistaats bekommt. Die Mitteilung, dass der Preis an das Theater gehen soll, sei völlig überraschend gekommen, so Mahsberg. Umso größer die Freude, die bei der Aufführung von Sequenzen aus „Spezialitäten“ im Landtag überspringen soll.


Verläuft eigentlich eine weibliche Biografie in allen Ländern dieser Erde deutlich anders als eine männliche? Auch dieser Frage geht „Tschungulung“ im aktuellen Stück „Spezialitäten zwischen Bratwurstkiosk und Kaffeekränzchen" nach. Im dritten Teil der neuen Produktion schließlich findet ein internationaler Kochwettbewerb statt, bei dem ein interkulturelles Mahl kreiert wird, das am Ende allen schmecken soll. In Würzburg ist die Produktion, für die Joaquim Balladares aus Ecuador Videos beisteuerte, erstmals nach der Preisverleihung im Landtag, am 17. März um 19.30 Uhr in der Kolping-Akademie zu sehen. Kartenvorverkauf über die Kolping-Akademie in Würzburg – Tel. 0931/41999100.

Peter Langer